Wenn wir Ihnen Tipps aus dem indischen Ayurveda mit auf den Weg geben, ist immer wieder von sogenannten Doshas die Rede. Kommt Ihnen der Begriff bekannt vor? Er bezeichnet die drei Lebensenergien, die laut vedischer Lehre diverse Bereiche unseres Alltags tangieren. Hiervon inbegriffen ist auch unsere Ernährung. Warum wir unseren Speiseplan nach unserem individuellen Dosha-Typ ausrichten sollten und wie wir dabei vorgehen, verrät uns Ayurveda-Expertin Verena Becker im Interview.
Liebe Verena, was hat unser Dosha mit der Ernährung zu tun?
Verena: „Die Grundlagen zum Verständnis der ayurvedischen Ernährungslehre sind die drei Doshas. Doshas sind keine körperlichen Substanzen, sondern dynamische Kräfte, die all unsere biologischen und psychischen Vorgänge in Körper, Geist und Bewusstsein steuern. Die drei Doshas heißen Vata, Pitta und Kapha. Bewegen sich die Doshas in ihrem individuell definierten Gleichgewicht, sind wir gesund. Durch die Ermittlung von Konstitution oder Dysbalance wird eine individuell auf den Menschen abgestimmte Ernährung zusammengestellt.“
Wieso sollten wir unseren Speiseplan an unserem Dosha ausrichten?
Verena: „Die ayurvedische Ernährungslehre beschreibt, dass die Eigenschaften von Nahrungsmitteln wie schwer, leicht, ölig, erhitzend, trocken und kalt durch ihre Gegensätze die Doshas ausgleichen. Warme, leicht verdauliche und ölige Nahrung wie zum Beispiel eine Kürbissuppe mit Reis gleicht das Vata-Dosha aus. Oft merken wir sehr schnell, wie gut uns eine Ernährungsweise tut, die an uns und unsere Bedürfnisse angepasst ist.
Wichtig ist jedoch immer auch den Zustand des Verdauungsfeuers im Blick zu haben. Es hilft nichts, wenn wir als Vata-Konstitution Unmengen an Datteln und Avocados essen, wenn unser Verdauungsfeuer nicht im Stande ist, diese zu verstoffwechseln.“
Wie können wir unsere Ernährung auf unser Dosha abstimmen?
Verena: „Haben wir beispielsweise ein ausgeprägtes Pitta-Dosha, ist es für uns in unserem Alltag hilfreich, allgemein eine Pitta-reduzierende Lebensweise zu wählen. Das dominierende Dosha neigt am ehesten dazu, sich anzuhäufen. In diesem Fall wären milde, frisch gekochte vegetarische Speisen mit den Geschmacksrichtungen süß, bitter und zusammenziehend empfehlenswert.
Der Ayurveda geht außerdem davon aus, dass die sechs Geschmacksrichtungen (rasas) süß, sauer, salzig, bitter, scharf und zusammenziehend unmittelbar Einfluss auf unser Befinden, unsere Emotionen und auf die Zusammensetzung unserer Doshas haben. Eine ausgewogene Mahlzeit, die all unsere Doshas nährt, beinhaltet alle Geschmacksrichtungen in angemessener Menge.“
Lebensmittel, Zubereitungsmethoden, Essenszeiten, Menge: Welche Bereiche sind zu beachten?
Verena: „Ayurveda betrachtet die Ernährung ganzheitlich und Lebensmittel nicht nur als solche, sondern immer die individuelle Wechselwirkung auf den Organismus. Dabei spielen auch die Zusammensetzung, die Menge, die Herkunft der Speisen und die Art und Zeit der Nahrungsaufnahme eine wichtige Rolle. Der Ayurveda empfiehlt demnach nicht nur bestimmte Lebensmittel; auch die Zubereitungsweise, die Art der Essensaufnahme und die individuellen Rhythmen und Gewohnheiten spielen eine große Rolle für die Gesunderhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit.
Anfangs hört es sich für viele so an, als würde der Ayurveda mit Unmengen an Regeln und Geboten oder Verboten arbeiten. Dabei ist der Ayurveda alles andere als dogmatisch. Ganz im Gegenteil. Es geht darum, dass wir wieder zu unserer Intuition und unserem inneren Wegweiser zurückfinden. Dann fühlen sich viele Entscheidungen ganz natürlich richtig und stimmig an. Denn auch alles, was wir über unsere Sinne auf- und wahrnehmen, hat einen Einfluss – unsere Gedanken, Emotionen, Geräusche, Gefühle und natürlich unsere Nahrung haben Einfluss auf unser Befinden. Sich nähren bedeutet also zum Beispiel auch, dass wir in unserem Alltag darauf achten, welche Gedanken und Worte wir wählen und wie wir mit uns selbst reden.“
Was gehört / gehört nicht auf
… einen Pitta Speiseplan?
Verena: „Pitta ist das Prinzip des Metabolismus im Körper und sorgt für Hitze, Schärfe und Säure in uns. Dies bewirkt eine gute Verdauung und einen guten Stoffwechselumsatz. Pittas sind oft sehr ehrgeizige, leistungsstarke und dynamische Menschen. Sie essen gerne und benötigen auch ihre drei Mahlzeiten am Tag, sonst können sie schnell mal gereizt und ungeduldig werden.
Ihr feuriges Gemüt verlangt in Heißhungerphasen oft nach süß-salziger oder fettiger Nahrung, wie Erdnuss-Schoko-Riegel, gesalzene Nüsse, scharfe und sehr würzige Speisen oder auch nach einem Glas Wein. Besser jedoch sind milde und vegetarische Gerichte, die ihr überhitztes Gemüt sanft kühlen und stabilisieren. Alle bitteren, zusammenziehenden und süßen Lebensmittel sind ideal, um Pitta auszubalancieren. Sport und Bewegung an der frischen Luft unterstützen hier zusätzlich.“
… einen Vata Speiseplan?
Verena: „Vata ist das Bewegungsprinzip im menschlichen Körper. Vata-Typen sind permanent geistig und körperlich aktiv und lieben es, ihren eigenen Lebensrhythmus bestimmen zu können. Vor lauter Energie vergessen sie gerne mal eine Mahlzeit. Wenn Vata aus dem Gleichgewicht gerät, entstehen oftmals Blähungen und Erschöpfung macht sich breit. Grundsätzlich haben Vatas eher eine sensible Verdauung und bevorzugen Lebensmittel, die leicht verdaulich sind. Intuitiv greifen sie dann oft zu Rohkostsalaten, die dieses Ungleichgewicht jedoch zusätzlich verstärken.
In stressigen Phasen packt sie gerne auch mal der Süßhunger. Süße Lebensmittel sind zwar gut für Vata, in Form von raffiniertem Zucker erhöhen sie jedoch alle Doshas. Besser sind Wurzelgemüse, cremige Suppen und warme, nährende Getreidegerichte wie Porridge. Allgemein sollten Vatas die Geschmacksrichtungen süß, sauer und salzig bevorzugen. Zusätzlich helfen Ölmassagen, eine ruhige Yogapraxis, Atemübungen und alles, was dich erdet.“
… einen Kapha Speiseplan?
Verena: „Da Kapha die erdige und wässrige Struktur in uns ist, bringt es Stabilität und Zufriedenheit mit sich. Kaphas haben eine zuverlässige Verdauung, aber einen eher trägen Stoffwechsel, sodass sie zur Gewichtszunahme tendieren. Sind Kapha-Typen gestresst, greifen sie gerne zu schweren und süßen Lebensmitteln wie Pasta, Torte, Süßigkeiten oder einem Käsegericht. Dies verstärkt die Dysbalance jedoch zusätzlich. Besser sind leichte Speisen mit vielen Gewürzen und alle bitteren, scharfen und zusammenziehenden Gemüsesorten. Unterstützend wirkt eine mobilisierende Yogapraxis, um Kapha auszugleichen.“
Welche Lebensmittel sind für jeden Dosha-Typ empfehlenswert?
Verena: „Lebensmittel, die für jedes Dosha empfehlenswert sind, werden auch Tridosha genannt. Dazu gehören unter anderem folgende Nahrungsmittel:
Gemüse: Blumenkohl gekocht, Fenchel, Zucchini, grüne Bohnen, Karotten gekocht, Koriander, Lauch gekocht, Rote Bete, Sellerie, Spargel, Steckrübe, Topinambur
Obst: Äpfel gekocht, Blaubeeren, Birnen gekocht, Kirschen, wenig Limette, Aprikosen
Getreide und Hülsenfrüchte: Basmatireis, Quinoa, Mungbohnen, Mungdal, rote Linsen
Milchprodukte: Ghee, verdünnter Joghurt
Öle: Ghee
Samen: Kürbiskerne, Leinsamen, Sonnenblumenkerne
Gewürze:Basilikum, Fenchel, Kümmel, Kreuzkümmel, Kardamom, Kurkuma, Koriander, wenig Zimt
Für den Fall, dass wir unseren Dosha-Typ nicht kennen oder für Gäste kochen: Welche Speise tut jedem Dosha gut?
Verena: „Ein Essen, das mein persönliches Soulfood und Tridosha-Gericht ist, ist Kitchari mit einem Extralöffel Ghee. Je nach Jahreszeit und Befinden können Sie es mit passenden Kräutern und Gemüsesorten anreichern. Kitchari erdet und spendet unserem Körper nachhaltig Energie und Wärme, was gerade in der kalten Jahreszeit besonders wohltuend ist. Im Winter passen wärmende Gewürze wie Senfsaat, Hing/Asafoetida, Bockshornklee, Kreuzkümmel und Koriander und Gemüsesorten wie Möhren, Rote Bete oder Blumenkohl sehr gut. Ganz wichtig: Immer mit einem Spritzer Zitronensaft und etwas Ghee frisch gekocht und warm essen – für absolutes Wohlbefinden.“
Damit Sie Verenas Empfehlungen gleich in die Tat umsetzen können, geben wir Ihnen gleich ein Rezept für das Lieblingsgericht unserer Expertin mit auf den Weg.
Kitchari mit Kokosnuss
Kitchari hat im Ayurveda in etwa die Bedeutung des Gemüseeintopfs in Omas Küche – ein Gericht, das sättigt, wärmt und jeden gesunden Genießer glücklich stimmt. Zur Zubereitung eignen sich die verschiedensten Gemüsesorten. Wir finden großen Gefallen an dieser Rezeptur, die wir in Verenas Blog gefunden haben.
Die Zutaten:
• 1 Tasse gespaltene Mungbohnen
• 1 Tasse Basmatireis
• 2-3 TL Ghee
• frische Kokosnuss
• 2 EL Sonnenblumenkerne
• 1 TL Kreuzkümmel, ganz
• Koriander
• 1 Prise Hing
• 1 Senfsaat
• 1 TL Kurkuma
• 1 TL Pfefferkörner
• Etwas Himalaya-Salz
Die Zubereitung:
Die Vorbereitung unseres Kitchari beginnt bereits am Vorab. Da sie ganz schön harte Kerle sind, legen wir die Mungbohnen nämlich bereits am Vortag in Wasser ein. Am nächsten Morgen waschen wir diese gut ab. In einem Mörser zerkleinern wir Kreuzkümmel, Kardamom und Pfeffer.
Wir geben das Ghee bei niedriger Hitze in einen Topf. Angefangen mit dem Kreuzkümmel dürfen sich wir alle Gewürze dazu gesellen. Sobald uns die aromatischen Düfte in die Nase steigen, fügen wir die Mungbohnen sowie Reis und eine Prise Himalaya-Salz hinzu. Wir löschen die Zutaten mit Wasser ab, reduzieren die Temperatur und lassen den gesamten Mix für etwa 15 Minuten zugedeckt köcheln.
Nach der Kochzeit schmecken wir die Suppe mit Salz und Pfeffer ab und raspeln die Kokosstücke darüber. Die Sonnenblumenkerne erwärmen wir kurz in der Pfanne und streuen sie zusammen mit Koriander auf der Suppe. Fertig!
Unsere Expertin
Schon in ihrer Kindheit zählten Kochen, frische Lebensmittel und eine gesunde Ernährung zu Verena Beckers Alltag. Dank ihrer Begeisterung für Yoga kam sie früh mit dem Ayurveda in Berührung und war sofort Feuer und Flamme: „Durch meine langjährige Yogapraxis, die mit den Jahren immer intensiver wurde, stieß ich auf das ganzheitliche Medizinsystem Ayurveda und lernte das ayurvedische Kochen kennen. Ich war wie gebannt. Der Ayurveda lieferte mir all die Antworten auf den scheinbar so komplizierten und undurchsichtig wirkenden Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ernährung. Das erste Mal in meinem Leben verstand ich, was es überhaupt heißt, sich vollkommen genährt, geerdet und zufrieden zu fühlen.“
Je mehr sie über die spannende Naturkunde erfuhr, desto wichtiger wurde diese für Verena: „Ayurveda und Yoga sind in meinem Alltag sehr wichtige Begleiter geworden. Ayurveda bedeutet für mich, Selbstverantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, jeden Tag aufs Neue in sich hineinzuspüren und immer mehr in Verbindung mit sich selbst zu kommen – was uns unweigerlich auch immer zur Selbstliebe führt. Das Ziel ist immer die Liebe.“ Um auch andere in den Genuss dieser Erfahrungen kommen zu lassen, bildete sich Verena, schließlich weiter und gibt ihr Wissen heute als staatlich geprüfte Heilpraktikerin, Yogalehrerin und Ayurveda-Gesundheitsberaterin weiter. Wertvolle Tipps und spannende Inspirationen finden Sie auf Verenas Blog Livin´ Lightly mit dem sie „Menschen inspirieren, für das Thema entflammen und nachhaltig begleiten“ möchte.
Was unsere Expertin an der Naturkunde begeistert? „Ganzheitliche Medizinsystem wie der Ayurveda gewinnen heutzutage immer mehr an Bedeutung. Der Vorteil an Ayurveda ist, dass er sehr differenzierte Diagnosen stellen kann, die wirklich der jeweiligen Situation des Menschen entsprechen und darauf mit ganz fein abgestimmten therapeutischen Mitteln reagieren kann. Außerdem setzt der Ayurveda schon früh bei der Gesundheitsprävention an, wenn es noch gar nicht zur Manifestation von Krankheiten gekommen ist. Da jedes Medizinsystem, ob Schulmedizin oder traditionelle Systeme wie der Ayurveda, jedoch auch seine Grenzen hat, macht es Sinn, die Vorteile der verschiedenen Medizinsysteme für sich zu nutzen“, so unsere Expertin.
Vielen Dank, liebe Verena, für die tollen Tipps rund um eine Dosha-Balance Ernährung.
Wir hoffen, Ihnen spannende Einblicke in die ayurvedische Ernährungslehre gegeben zu haben. Sollten Sie Fragen haben oder sich für nähere Details interessieren, können Sie sich sehr gerne an unsere Expertin wenden – oder Sie melden Sie sich direkt bei uns. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Ihr Terra Elements Team